Most people hear but do not listen. Warum es sich lohnt, aktiv zuzuhören und zu hinterfragen.

15. Februar 2023|Allgemein|

Ein Unternehmen muss sich permanent entwickeln, sonst fällt es hinter dem Wettbewerb zurück.

Was so einfach klingt und tausendfach gesagt wird, ist in der Praxis so einfach gar nicht. Wo setzt man effektiv an, wenn die wesentlichen Weichen gestellt sind? Als Interim Werksleiter oder Interim COO werde ich immer wieder mit verschiedenen Ausgangssituationen konfrontiert, welche sich in einigen wenigen Punkten oft gleichen. In den seltensten Fällen werde ich für die Überbrückung einer offenen Vakanz engagiert; Meist befinden sich die Unternehmen in einer mehr oder weniger ausgeprägten Krise.

Heute möchte einmal einen ganz anderen Blickwinkel meiner Arbeit beleuchten, den ich in dieser Form so noch nicht in meinen Beiträgen besprochen habe.

In Vorbesprechungen zu meinen Aufträgen nutzen meine potenziellen Kunden und ich immer mehr Teams Meetings. Wir lernen uns virtuell kennen, bekommen einen ersten Eindruck vom Gegenüber. Meine Kunden bitten mich üblicherweise, sie grob durch meinen Lebenslauf zu führen, obwohl sie ihn schon eine ganze Woche bei sich auf dem Tisch und mehrfach gelesen haben. Man bekommt so neben dem Inhalt schon einen ersten Eindruck von mir. Was ist er für ein Mensch? Passt er zu unserer „Unternehmenskultur“? Passt er zu dem, was wir von ihm erwarten? Spiegelt er das wider, was wir gelesen haben?

Der Auftraggeber fragt mich Skills wie Change Management im Teams Meeting ab. Lean und Wertstromanalyse sowie deren Design sind große Themen. Führungserfahrung und die Nähe zum Produkt. Das analytische Vorgehen und Erfahrung im Projektmanagement interessieren ihn.

Fachsimpeln auf Augenhöhe.

Das ist, wie meine Auftraggeber die Dinge sehen. Vernünftig mit den Mitarbeitern umgehen und methodisch fit sein muss man. Ausstrahlung und Charisma helfen.

So weit – so gut.

Der Handlungsspielraum ist abgesteckt, die Aufgabe und das Ziel sind klar. In den ersten Tagen mache ich mich mit der Situation vertraut. Ich mache mich mit den Keyplayern bekannt, hinterfrage viel, schreibe mit, denke abends über das weitere Vorgehen nach und fasse für mich zusammen, bevor ich am nächsten Tag mit frischen Ideen und einem Plan in den Tag gehe. Natürlich habe ich mit den Jahren einen sehr geschulten Blick für die Schwachstellen. Oft gibt es laufende Maßnahmen, deren Status und Relevanz für die Zielerreichung ich erst verstehen muss.

„Wir haben bereits Maßnahmen ergriffen!“

Ganz bestimmt ist vieles von dem, das man bereits begonnen hat, gut und richtig. Das Einfordern von Maßnahmen wurde oft schon von der Geschäftsleitung initiiert und an die Führungskräfte herangetragen. Was taten die Führungskräfte jedoch, als sie mit der Anforderung konfrontiert waren? Sie kramten in ihrem Kopf nach Ideen und stocherten wild in den Auswirkungen unbekannter Ursachen herum.

Ja natürlich – es gibt viele kluge Köpfe unter den Führungskräften. Mit viel Glück sind sie auch in den Genuss betrieblich geförderter Fortbildungen gekommen. Wir denken jetzt an Lean – Maßnahmen und KVP. Vielleicht überführen wir die C-Teile-Versorgung jetzt in ein Kanban System oder optimieren den Wertstrom. Aktionismus macht sich breit, jeder will seinen Anteil zum Gelingen beitragen. Projektpläne werden erstellt, die wie immer keine Ressourcen berücksichtigen. Aber egal: wir tun irgendwas – Hauptsache, wir stehen nicht mit leeren Händen da.

Es ist wieder spät geworden heute, 18.30 Uhr und ich bin noch immer im Büro. In vielen anderen Büros ist das Licht schon aus. Wie immer um diese Zeit geht die Tür einen Spalt auf und die Reinigungsfee erkundigt sich danach, ob sie bald rein kann, um ihre Arbeit zu tun. Ich winke und bitte sie, hereinzukommen und um mich herum zu putzen, damit sich ihr Tag nicht wegen mir unnötig verlängert.

„Sie gucken ja so niedergeschlagen!“ sagte sie, als ich erschöpft vor meinen Auswertungen saß und mir schon die Augen rieb. „Ich hänge grade fest. Mir fehlt der entscheidende Baustein, um einen Engpass mit vorhandenen Mitteln aufzuweiten.“ sagte ich. Im festen Glauben daran, dass sie entweder nicht zuhört oder mich nicht versteht, wandte ich mich wieder meiner Auswertung im Minitab zu.

Nach 1 oder 2 Minuten fragte sie plötzlich: „Geht es um den Engpass am Bohrwerk?“ Erstaunt sah ich sie an. Ich setzte mich plötzlich wieder gerade hin und fragte neugierig zurück: „Woher wissen Sie das?“ Ich konnte es nicht glauben. Sofort war ich wieder hellwach. Die Raumkosmetikerin entgegnete: „Ich beobachte schon ein paar Wochen, dass die Arbeit vor der Maschine immer mehr wird und die Kollegen am Bohrwerk es einfach nicht zu schaffen scheinen. Gestern hörte ich, wie sich die Kollegen beim Schichtwechsel unterhielten. Ein Kollege sagte: Ich verstehe gar nicht, warum man nicht Klaus in der Nacht an unserer Maschine arbeiten lässt, der hat doch momentan kaum etwas zu tun, weil er an seiner Maschine mit der Bearbeitung der Bauteile viel schneller ist, als wir.“

„Wie kommen Sie darauf, dass das eine wichtige Information sein könnte?“ Die Dame antwortete etwas schüchtern: „Ich bin den ganzen Tag im Unternehmen unterwegs. Ich leere an den Maschinen die Mülleimer, bevor ich die Büros sauber mache. Da sieht und hört man viel und macht sich so seine Gedanken.

Ich traute meinen Ohren kaum. „Das ist eine großartige Idee! Gleich morgen spreche ich mit dem Produktionsleiter, damit er die Schichten anders organisiert!“

Was ist ein häufiger Fehler bei Führungskräften ? 

Ich beobachte oft, dass die wirkliche Auseinandersetzung mit den Ursachen fehlt.  Sich wirklich mit den Mitarbeitern zu unterhalten, zuzuhören und nach Ideen und Anregungen zu fragen. Sich wirklich interessieren. Den Ursachen auf den Grund gehen. Sich unklare Sachverhalte vor Ort genau erklären lassen. Da werden Kollegen jetzt vermutlich sagen: was wollen die mir schon erzählen, das ich nicht besser wüsste?

Ich sag es Ihnen:

  1. Von wirklich jedem kann eine tolle Idee kommen. Jeder hat einen anderen Blick auf einen Umstand. Es können hilfreiche Anregungen dabei sein, welche andere Mitarbeiter aus der jeweiligen Organisation gar nicht (mehr) wahrnehmen.
  2. Die Mitarbeiter fühlen sich wahr- und ernst genommen. Sie sind motiviert bei der Umsetzung dabei, weil man sie mit einbezieht. Kling schwammig und zweitrangig, ist es aber absolut nicht. Die Mitarbeiterblickwinkel können quick-wins generieren oder manchmal sogar ein enormes Potenzial haben. Aber wann weiß man das? Wenn man sich mit ihnen mal ganz in Ruhe unterhält. Das ist wertvoll investierte Auftragszeit.
  3. In der Wirkung ist es ein ganz eklatanter Unterschied, ob ich zu den Leuten spreche oder mit ihnen. Ja natürlich. Ich kann eine Neujahrsansprache halten und auf die ernste Situation hinweisen. Es ist auch zulässig Formulierungen zu benutzen wie: „Wir müssen jetzt wirklich alle zusammenarbeiten!“ Dadurch ist aber noch nichts darüber ausgesagt, was wir denn an unserer Arbeitsweise, an unseren Abläufen verändern müssen, damit plötzlich alles besser wird.
  4. Möglicherweise lässt sich aus Ihrem Blickwinkel und dem Blickwinkel der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters eine Lösung generieren, die ohne den fehlenden Schlüssel des zusätzlichen Inputs gar nicht möglich gewesen wäre.

„Lieber Herr Werksleiter, wir müssen dringend das Hochregallager aufräumen. Schnelldreher rein, Langsamdreher, Großteile und nicht mehr benötigte Teile raus. Die Logistik kann die Montage nicht sicher versorgen, wenn wir das Material aus dem Wareneingang nicht schnell und korrekt einlagern.“ Er entgegnete: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier ein Potenzial haben. Das hat der Leiter der Logistik doch schon im letzten Jahr getan!“ Die Analyse zeigte jedoch, dass wir ca. 4700 Positionen im Hochregallager hatten, die seit 2 Jahren nicht mehr bewegt wurden, in diesem Zeitraum keine Entnahmen hatten und auch in den kommenden 24 Monaten nach heutigem Kenntnisstand keinen Bedarf haben.

Presentation meets reality.

Was bekommt man denn als Geschäftleitung gezeigt? Getunte Charts, denen wesentliche Aussagen fehlen. Analysen der Entwicklung stagnieren oder bewegen sich nur marginal. Warum? Weil uns die reine Theorie gepaart mit mangelnder Umsetzungsstärke keinen Zentimeter weiterbringt. Man müsste sich eigentlich bei Präsentationen überlegen: Was wird denn nicht gezeigt?

Ich bin zu meiner Anfangszeit in einem wirklich sehr großen Unternehmen, einem Weltmarktführer auf seinem Gebiet, auch schon auf Präsentationsinhalte hereingefallen. Ich ließ mir den aktuellen Status präsentieren und versuchte mit meinem gelernten Wissen von diesem Status aus zu optimieren. Das ging nicht lange gut. Nach den ersten Wochen zeigten meine Charts steil nach oben. Es kam jedoch schnell der Zeitpunkt, an dem meine Maßnahmen auf die Realität trafen. Da meine Ergebnisse mehr und mehr stagnierten, hinterfragte ich mehr und mehr, tiefer und tiefer. Ich unterhielt mich mit den Mitarbeitern, ließ mir Vorgänge erklären, die bisher nicht im Fokus standen und mir wurde bewusst, dass wir von einer komplett anderen Ausgangslage sprechen, als mir ursprünglich präsentiert wurde.

Meine Ergebnisse sackten einmal gründlich durch und ich musste meine Maßnahmen neu ausrichten. Ich musste zweimal beginnen und habe Zeit verloren durch meine eigene Naivität, dass man vom Schreibtisch aus die Richtung bestimmen und sich auf das von den Führungskräften Präsentierte verlassen kann.

Es liegt mir fern, zu pauschalisieren und zu unterstellen, dass man in großen Organisationen geneigt ist, mit alternativen Wahrheiten zu arbeiten. Oft spiegeln Präsentationen tatsächlich den eigenen (eingeschränkten) Blickwinkel wider. Eins ist aber nach meiner nun langjährigen Erfahrung in Führungspositionen und als Interim Manager einfach ein Fakt:

  1. Jeder stellt sich so gut dar, wie er kann.
  2. Keine Führungskraft will als unzulänglich gelten, auch wenn man weiß, dass man große Defizite hat.
  3. Hinterfragen auf Shopfloor Ebene wird oft als Führungsschwäche interpretiert.
  4. Sehr ausgeprägt in großen Organisationen mit ausgeprägtem hierarchischen Denken ist, dass sich die weitergebildete Führungskraft vor den blue colour Mitarbeitern nicht die Blöße geben will, Rücksprache zu halten und zusätzliche Blickwinkel aufzunehmen.
  5. Man bekommt Antworten exakt auf die gestellten Fragen: Sind die Fragen ungenau, ist es das Ergebnis ebenfalls.

Was muss man daraus lernen?

Es ist gut, wenn man eine Zusammenfassung des offiziellen Status bekommt. Schon an dieser Stelle muss man jedoch selbständig darüber nachdenken, ob die Präsentationen Lücken aufweisen oder unschlüssig sein können. Was ist denn so überragend an einer OEE von 95%, wenn der Output der gesamten Fabrik rückläufig ist? Der normale Menschenverstand muss einem doch sagen, dass hier mal in der Tiefe eruiert werden muss, wie sich die hiesige OEE zusammensetzt. Neben schrägen Ansätzen von „hauseigene OEE“, in der nur die Verfügbarkeit berücksichtigt wird (Hauptsache, man hat gegenüber dem Kunden dargestellt, dass man diese Kennzehl strapaziert) gibt es noch andere Wildwüchse, zum Beispiel das Bewerten von Rüstzeiten als Value Add.

Wichtig ist, sich selbst ein Bild zu machen, sich das Denken nicht abnehmen zu lassen und hartnäckig bis zur Ursache vorzudringen, damit die geplanten Maßnahmen wirklich greifen. Dafür darf man sich nicht zu schade sein, mit den Mitarbeitern auf dem Shopfloor in einer Sprache zu sprechen, welche von diesen Mitarbeitern auch verstanden wird. Die Ursachen, nach denen wir suchen, sind oft schwer zu finden, dann aber einfach zu beschreiben und abzustellen.

Ich hatte auf diese Weise schon große Erfolgserlebnisse und wurde von einem Investor im Meeting gefragt: „So einfach ist das, Herr Graf?“, nachdem ich die Ursache für die langanhaltend schlechte Lieferperformance gefunden hatte. Etwas langwieriger war dann allerdings die Umsetzung, weil in diesem Fall mehrere Abteilungen  des Unternehmens lernen mussten, ihre Arbeit auf eine andere Weise zu tun, wobei ich sie gern begleitet und unterstützt habe.

Man kann eine Firma vom Schreibtisch aus bewegen – natürlich. Ich sage auch ganz bewusst: bewegen. Das letzte Quentchen Ergebnis bekommt man von diesem Blickwinkel aus aber nie, bis dahin, dass man mit seinen ursprünglichen Annahmen vollkommen falsch liegt. Niemand ist alleine im Besitz des allumfassenden Wissens. Man kann sich alles hart erarbeiten und muss Umwege gehen oder man bezieht das Maximum an Blickwinkeln mit ein, analysiert, denkt nach und arbeitet direkt an der Wurzel des Problems.

Üben Sie den Kontakt zu den Mitarbeitern, sprechen Sie diese in ihrer Sprache an ohne englischsprachige Abkürzungen und Fachbegriffe. Seien Sie offen für Anregungen, lassen Sie das Potenzial von Mitarbeiteranregungen analysieren.

Der richtige Weg kommt nicht zwingend aus der höheren Hierarchieebene. 

Viel Spaß bei der Umsetzung!

Post skriptum:

  • Wenn Sie Probleme in der Umsetzung haben,
  • Wenn Ihr Unternehmen an Umsetzungsschwäche leidet,
  • Wenn Ihren Führungskräften das Know – How fehlt:

Treten Sie gern mit mir in Kontakt.

In Kürze kann ich Sie mit eigenen, zusätzlichen Mitarbeitern unterstützen, die ich aus der eigenen Zusammenarbeit kenne und die von mir persönlich unterstützt werden, wenn während des Mandates Fragen auftauchen.

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