OEE als zentrale Kennzahl !?

6. August 2020|Allgemein|
2020-08-06 09.44.44 AM

Ein Blickwinkel aus der Praxis:  Welche Bedeutung kommt der Kennzahl Overall Equipment Effectiveness zu?

Die Kennzahl OEE setzt sich aus 3 Faktoren zusammen: Die Leistung, die Qualität und die Verfügbarkeit. Diese 3 Faktoren werden als Angabe in Prozent miteinander multipliziert und ergeben ein Bild über den Gesamtstatus der Fertigung für jede Maschine oder Anlage, deshalb spricht man im Zusammenhang mit OEE auch von der Gesamtanlageneffektivität.

OEE ist ein Indikator, kein Tool.

Nun wird viel über OEE berichtet, diese Kennzahl in den verschiedensten Ausprägungen in Unternehmen eingesetzt und oft sogar angenommen, dass es sich um eine rein Automotive – taugliche Kennzahl handelt. Fakt ist, dass man für deren Einführung eine sehr gute Datenbasis benötigt, die in der benötigten Qualität jedoch oft noch nicht vorliegt. So gern ich bei der Frage nach der Kennzahl, die man unbedingt in einem Unternehmen einführen muss, einfach mit „OEE“ antworten würde, so unrealistisch ist die Einführung in Unternehmen, die auch heute noch sehr handwerklich arbeiten. Oft sogar verschreckt man Unternehmer damit.

Die Einführung von OEE muss ein Ziel sein, bis es wirklich so weit ist, muss ein Unternehmen jedoch gewisse Mindestbedingungen an systematischer Arbeit und Datenerfassung erfüllen. Für jeden maschinellen Arbeitsplatz muss exakt die Qualität in Relation zu den Vorgaben, die Leistung in Relation zu den Vorgaben und die Verfügbarkeit in Relation zum Maximum gemessen und permanent systematisch ausgewertet werden.

In der Praxis stößt schon die Messung dieser 3 Faktoren auf Barrieren, die nicht immer einfach zu überwinden sind.

  • Ein guter, analytisch sauberer OEE wird idealerweise mitlaufend direkt an der Maschine gemessen, was zwangsläufig Rückschlüsse auf den Bearbeiter zulässt, ja zulassen muss, um Schwächen verbessern und die Kennzahl optimieren zu können.
  • Die Zeitvorgaben, welche die Basis für die Leistung des Arbeitsplatzes bilden, müssen fachlich fundiert ermittelt, mit der Fertigungstechnologie abgestimmt und unter normalen Bedingungen erreichbar sein. Dafür müssen die Werkstücke definitiv auf den geplanten Maschinen laufen, was wiederum eine sehr gute Arbeitsplanung voraussetzt.
  • Die Qualität muss sich an den Zeichnungsvorgaben orientieren, zur Erreichung der geforderten Qualität müssen Maschine, die Werkzeuge und die Messwerkzeuge permanent in einem einwandfreien Zustand sein. Hierzu empfiehlt sich unbedingt eine MSA (Messsystemanalyse), die den Bediener als Teil des Messsystems mit einschließt.
  • Die Basis für die Verfügbarkeit kann bei der Kennzahl OEE innerbetrieblich frei vereinbart werden. Meines Erachtens nach eine große Schwäche dieser Kennzahl, denn je mehr Zeiten für z.B. Pausen, Schichtübergaben, Verteilzeit (die Reihe ließe sich beliebig lang fortsetzen) man von vorn herein aus der Betrachtung ausnimmt, umso besser ist die OEE.
  • Die Einführung der Messung aller Punkte kann mitbestimmungspflichtig sein, da die Betriebsräte geneigt sind, Faktoren wie Leistung und Qualität als Risiko einer Leistungsbewertung von Mitarbeitern zu betrachten.
  • Ein Downgrade der verarbeiteten Informationen ist kein OEE.

Um einen objektiven Überblick über die Leistung von Maschinenarbeitsplätzen zu erhalten, ist hier sogar die Einführung der Kennzahl TEEP an Stelle von OEE wünschenswert, jedoch mit nicht weniger Hürden verbunden.

Chancen

Die exakte Betrachtung der Kennzahl OEE soll nicht zur Durchleuchtung der Arbeitsweise einzelner Mitarbeiter dienen, sondern bietet große Chancen für die Verbesserung von Abläufen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Mit der Ermittlung dieser Kennzahl werden viele Schwächen auf mehreren Ebenen sichtbar gemacht, dazu hier einige Beispiele:

  • Die Nichteinhaltung der Vorgabezeiten (Leistung) bietet Rückschlüsse auf
    • die Qualität der ermittelten Vorgabezeiten
    • die Qualität der Werkzeuge
    • die Qualität oder das Vorhandensein systematisierter Werkzeugwechselzeiten
    • die Qualität der geplanten Fertigungstechnologie
    • die Qualität des Rüstprozesses
    • die Qualität der Arbeitsvorbereitung
    • möglicherweise Wartezeiten (z.B. auf Material, auf den (innerbetrieblichen) Lieferanten)
  • Die Nichteinhaltung der Qualität bietet Rückschlüsse auf
    • die Qualität der Zeichnungsvorgaben
    • den Zustand der Maschine (Instandhaltung)
    • die Werkzeugauswahl
    • die Qualität des Messsystems (–> MSA)
    • die Qualität des angelieferten (Roh-) Materials
  • Die Nichteinhaltung der Vorgaben für die Verfügbarkeit / eine schlechte Verfügbarkeit bietet Rückschlüsse auf
    • den Zustand der Maschinen und Anlagen
    • die Qualität der vorbeugenden Instandhaltung
    • die Reaktionszeit der Instandhaltung
    • den Bedarf an Einführung von TPM
    • u.v.m

Aus allen (möglicherweise unvollständig) aufgezeigten Einflüssen lassen sich Maßnahmenpakete ableiten, die eine systematische, messbare Verbesserung der OEE zulassen. Sofern Ergebnisse von Auswertungen unterschiedliche OEE´s in verschiedenen Schichten zeigen, kann dies wertvolle Rückschlüsse auf Schulungsbedarfe zulassen.

Die Kennzahl OEE und die Arbeit an der systematischen Verbesserung bieten ein ungeheures Potenzial, das man nicht ungenutzt lassen darf, jedoch bedeutet schon die Einführung für viele Unternehmen eine große Veränderung der bisherigen Arbeitsweise. Für Unternehmen, die sich in größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, kann die Einführung dieser Kennzahl ein Baustein, aber ganz sicher nicht die Master Lösung sein, denn schon die Einführung und die Überwindung der dazu notwendigen Hürden (Datenverfügbarkeit, Datenqualität, Datenauswertbarkeit, zu schließende Betriebsvereinbarungen) kann längere Zeit in Anspruch nehmen, zudem sind flankierende Maßnahmen wie die Einführung von Shopfloor Management (BLOG) sowie ein qualitativ hochwertiger KVP -Prozess zu installieren.

OEE ist eine Arbeitsplatz – bezogene Kennzahl.

Der Schwachpunkt im Bezug auf das Gesamtunternehmen ist die Gefahr, die Effizienz der Prozesse ausser Betracht zu lassen. OEE als alleiniger Focus – sollte diese Kennzahl denn wirklich konsequent eingeführt werden können – verschließt unter Umständen den Blick für den Gesamtablauf. 

Die klassischen Verschwendungen

  • Transportwege
  • Lagerkosten
  • zu lange Wege
  • Wartezeiten auf Grund mangelhafter Ablaufplanung
  • Overprocessing
  • Overproduction
  • Fehlerkosten oder besser : Cost Of Poor Quality (Gesamtheit der durch Qualitätsmängel entstehenden Kosten)

bieten deutlich effizientere Ansatzpunkte, die mindestens parallel, wenn nicht sogar in einem vorgelagerten Schritt in Angriff genommen werden müssen. Mittels zB. Wertstromanalyse sind hier Potenziale in Größenordnungen generierbar, welche einzelne innerbetriebliche „Unzulänglichkeiten“ nicht bieten können.

Was nützt es, OEE einzuführen und erst später die grundsätzlichen Abläufe zu hinterfragen und zu verändern? Durch diese Reihenfolge können nochmals  Probleme durch veränderte, noch nicht fest etablierte Abläufe entstehen. Sehr wohl jedoch verbessern sich Auslastung und Verfügbarkeit sowie sinken die Personalkosten, wenn man von groß nach klein, von Wertstromanalyse (BLOG) zu OEE denkt und arbeitet.

Eine OEE kann trotz eines ineffizienten Wertstromes gut sein. 

In der Praxis kann das ganz konkret bedeuten, dass Sie jährlich Millionenbeträge verlieren und gar nicht wissen, warum. Schlechtes Betriebsergebnis trotz guten OEE-Werten.

OEE ist nicht geeignet für die Betrachtung und Verbesserung von:

  • innerbetriebliche Transporten und Transportwegen und damit verbundene Kosten
  • Abstimmung der Arbeitsplätze im Bezug auf Losgrößen und Produktionsgeschwindigkeit und damit die Ermittlung der optimalen Arbeitsplatzbesetzung
  • Handarbeitsplätze (Montage, Verpackung)
  • Optimierung der Lagergrößen und – Flächen vor Arbeitsplätzen und damit verbundene Kosten
  • Informationsflüsse jeder Art und die damit verbundenen Kosten (Mitarbeiteranzahl, Informationsverluste)
  • Vermeidung von Wartezeiten aufgrund verspäteter Belieferung von Anlagen und Maschinen
  • gezielte Minimierung von Non-Value-Add
  • Senkung der Lagerkosten.

Für mehr Details, erläuternde und vertiefende Gespräche stehe ich Ihnen jederzeit auch telefonisch zur Verfügung.

Lesen Sie hier –>( BLOG ) auch gern weitere Beiträge von mir.

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