Sie sind eine Führungskraft und das Treffen von Entscheidungen stellt Sie regelmäßig vor ein Problem?

19. November 2023|Allgemein|

Das ist schlecht, denn es ist wesentlicher Bestandteil der Führungsarbeit, Entscheidungen zu treffen.

Man kann heutzutage sehr viel in Workshops oder Akademien über Führungsverhalten lernen. Und was man da alles für wilde Theorien erfährt; Wenig davon ist neu, einiges gebietet der normale Menschenverstand und manches ist so weit weg von der Realität, dass man sich fragt, ob die Vortragenden selbst in einem realen Unternehmen auch nur eine Woche überlebensfähig wären. Eines jedoch wird nirgends gelehrt – zumindest ist mir noch kein dahingehender Workshop angeboten worden:

Wie kommt man in schwierigen Situationen zu guten Entscheidungen? Ist es einfach, die perfekte Entscheidung zu treffen?

Rückblick:

Vor vielen Jahren – ich war noch sehr jung (U30) – habe ich mir für dieses wiederkehrende Problem eine Lösung erarbeitet. Sagen wir: Ich wurde illuminiert.  Ich war schon sehr ehrgeizig und perfektionistisch. Immer wollte ich der Beste sein, das rührte vielleicht noch aus meiner Zeit als Sportler. Entsprechend geriet ich bald in Situationen, in denen ich Entscheidungen über Fertigungstechnologien treffen musste. Kleine Sachen würde man heute sagen, keine große Tragweite. Was ich aber schon damals immer wollte war: einfach das Richtige tun. In meinen frühen 20ern war ich in unserem Team für spektakuläre und effiziente Lösungen bekannt und wollte einfach nur abliefern. Nun habe ich also eines Tages versucht, verschiedene Lösungsmöglichkeiten einer komplexeren an mich gerichteten Aufgabenstellung parallel zu Ende zu denken und im Kopf die möglichen Risiken in verschiedenen Fertigungsstadien zu simulieren. Es hat unendlich viele theoretische Abzweigungen gegeben, die mich in der Analyse beinahe in den Wahnsinn getrieben haben. Die noch nicht existenten Computer hätten mir bei dieser Herangehensweise auch heute nicht geholfen. Wie sollte ich mich denn entscheiden? Um Gottes Willen, was da alles passieren kann auf dem Weg zum Ziel! Ich war wirklich für ungefähr eine Woche sehr verzweifelt, weil ich keinen klaren Weg gefunden habe, der sicher zum Ziel führt. Irgendwann ist mir dann aber das entscheidende Licht aufgegangen, das mich bis heute wie ein Polarstern begleitet.

In meiner Arbeit begegnen mir heutzutage immer wieder Führungskräfte bis hin zu COO´s oder Geschäftsführern, die aus den verschiedensten Gründen ein Problem damit haben, Entscheidungen zu treffen. Selbst gestandene Menschen in Führungspositionen sind häufig nicht in der Lage, sich zwischen linkem und rechtem Weg zu entscheiden. Psychologisch möchte ich das gar nicht bewerten (kann ich auch gar nicht, das ist nicht mein Handwerk- vielleicht ein Indiz für die Wirkung des Peter-Prinzips), sondern ich möchte von meinen Erkenntnissen sprechen.

Entscheidungen sind schwierig, wenn es darum geht, eine nicht exakt berechenbare Richtung einzuschlagen. Trotzdem wird von Führungskräften erwartet, dass Sie eine Marschroute vorgeben, dass sie aus einer Anzahl X von Möglichkeiten auswählen, woran sich im Anschluss das Team orientieren muss.

Aber wie kommen solche Entscheidungen zustande? Wie generiert man eine Lösung?

  • Man könnte jetzt würfeln oder
  • Man könnte einen Schimpansen für sich entscheiden lassen (sollen eine gute Trefferquote haben, hab ich gelesen)

Beides hätte den Vorteil, dass man etwas oder jemandem eine Fehlentwicklung, die aus der Entscheidung resultiert, anlasten könnte – man befreit sich von der Verantwortung. Beides sähe im Führungsalltag jedoch sehr merkwürdig aus, unabhängig davon, dass mit einer Entscheidung das Ziel noch lange nicht sicher erreicht wird.

Führen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

Wonach werden Entscheidungen getroffen, auf welcher Basis?

Wir können Entscheidungen nur auf Basis unserer bisherigen Erfahrungen plus der Abwägung der aktuellen Fakten treffen. Ganz sicher haben wir noch nicht jede Situation schon einmal exakt so erlebt, wie sie sich heute darstellt, jedoch haben wir im Laufe der Jahre Erfahrungen gesammelt, die vergleichbar waren, die man auf die heutige Fragestellung skalieren kann. Ich würde sagen, dass dies zu 50% die Basis für die neu zu treffende Entscheidung ist. Die andere Hälfte sind unbekannte Faktoren, die uns so noch nicht begegnet sind. (Mit zunehmendem Alter mag sich die prozentuale Verteilung möglicherweise etwas in Richtung erste Hälfte verschieben) Für die unbekannten Faktoren gilt es nun, das Maximum an Fakten zu sammeln – möglichst unvoreingenommen wie in einer Art Brainstorming. Aber wie komme ich an diese Fakten?

Meine inzwischen wirklich jahrzehntelange Führungserfahrung hat mich gelehrt, das Erfahrungswissen der Mitarbeiter mit einzubeziehen, die mit den unbekannten Fakten wahrscheinlich vertraut sind. Mein Leitsatz:

Das meiste, benötigte Wissen befindet sich in den Köpfen der Mitarbeiter. Es muss nur gelingen, es herauszumoderieren.

Ich lade vor sehr schwierigen Entscheidungen diese Mitarbeiter, die auch aus völlig verschiedenen Bereichen kommen können, zu einem Meeting ein, hinterfrage verschiedene Szenarien aus mehreren Blickwinkeln und mache dazu Stichpunkte, gerne auch an einem Flipchart oder Whiteboard, damit die Mitarbeiter und ich die Entwicklung der Entscheidung mitverfolgen können. Ich habe so bei der Zusammenfassung der Herleitung einen physischen Blick auf die Fakten und kann alles noch einmal auf Plausibilität überprüfen. Es muss auch nicht immer ein Team und ein Meeting sein, man kann sich durchaus mit einem oder mehreren Erfahrungsträgern einzeln abstimmen und Blickwinkel sammeln.

Ganz wichtig zu verstehen ist aber: Kein einzelner Mensch verfügt über ein umfassendes Bild einer Situation. Weder der sich stets überlegen fühlende CEO noch der Leiter der QS-Abteilung (nur um Beispiele zu nennen). Jeder sieht aus einem anderen Blickwinkel auf einen bestimmten Umstand, aber das Stück einer Torte ist immer nur das Stück einer Torte und nicht die Torte selbst. Diese Blickwinkel anderer Menschen sind wichtig, um ein dreidimensionales Abbild eines Umstandes zu erzeugen.

Den Mitarbeitern sind weitreichende Entscheidungen nicht zuzumuten, dafür gibt es uns. Sie können und müssen aber unsere fehlenden 50 +/- x Prozent zu einem Ganzen ergänzen. Darauf müssen wir uns einlassen. Andere Menschen um Blickwinkel zu bitten ist keine Herablassung, sondern nackte, überlebenswichtige Logik.

Wir müssen zu einer Entscheidung kommen und als Führungskräfte müssen wir diese aussprechen. Das wird von uns erwartet und ist wichtig, egal welche wilden Theorien über basisdemokratische Führung heutzutage verbreitet werden. Sollten wir noch immer zwischen zwei gleichgewichtigen Lösungswegen schwanken, kann jetzt final eine Risikoabwägung für beide möglichen Richtungen durchgeführt werden. Was passiert im worst case, wenn wir auf diesem oder jenem Weg das Ziel nicht erreichen?

Jetzt heisst es: springen!

So weit – so gut, werden Sie denken. An dieser Stelle war ich schon oft, und doch konnte ich mich trotzdem nicht entscheiden.

Warum ist das so?

Sie haben Angst, dass Ihre Entscheidung nicht das gewünschte Ergebnis hervorbringen könnte, Sie für einen Misserfolg verantwortlich gemacht werden könnten und Ihre Karriere plötzlich die Bahn einer Bogenlampe annimmt. Ich sage Ihnen etwas: Ihre Karriere ist vor allem dann schnell vorbei, wenn Sie KEINE Entscheidung treffen. Keine Entscheidung – keine Chance auf Erfolg!

Doch wie geht man nun vor?

Wir haben 50% eigene Erfahrung + X % Erfahrung der MA + Grauzone. Niemand weiß, wie groß die Grauzone ist, aber eins ist klar: es gibt sie. Deshalb ist auch nach dem moderierten Gedankenaustausch mit den Mitarbeitern der Ausgang ungewiss. Ich habe an dieser Stelle lediglich das Risiko eingegrenzt und minimiert.

Wie bringt man den Ball nun ins Tor?

Wenn man eine Entscheidung getroffen hat und in sein Büro geht, sich dem Arbeitsalltag widmet und denkt: damit ist es nun getan, irrt man gewaltig. Verlassen Sie sich bitte darauf, dass die Grauzone das Pech anzieht wie ein schwarzes Loch im Weltall die Materie. Dafür garantiere ich aus ganz persönlicher Erfahrung. Danny´s Law sozusagen. Es geht nicht schief, was schief gehen kann, sondern es geht schief, was man aus dem Blickwinkel verliert.

Mit der getroffenen Entscheidung beginnt die Arbeit erst. Sofort nachdem Sie eine Entscheidung getroffen haben, nehmen die Dinge eine Eigendynamik an, die nicht in jedem Fall auf der angestrebten Linie liegt. Die verschiedensten Einflüsse versuchen nun, unser Projekt aus der Bahn zu drängen. Sei es, dass eine geplante Ressource (zum Beispiel ein fest geplanter Mitarbeiter) ausfällt oder eine Maschine geht plötzlich kaputt. Alle halten durch, aber das Produkt ist leider Ausschuss, doch der Liefertermin ist heute. Eine dringend benötigte Komponente ist nicht lieferbar, obwohl es hier bisher noch nie Schwierigkeiten gab. In Projekten arbeitet man nur mit wirklich vorhandenen Ressourcen und wenn man auf sie zugreifen will, hat sich die Ressource in Luft aufgelöst.

Ich sage Ihnen:

Das macht gar nichts. Ganz im Gegenteil; das ist vollkommen im Bereich des zu Erwartenden.

Von hier an müssen wir ständig die Entwicklung der getroffenen Entscheidung eng verfolgen und bei allen auftretenden Abweichungen kreativ und konsequent gegensteuern. Immer wieder müssen wir flexibel auf jegliche Einflüsse reagieren und nach Lösungen suchen. Bis zum Schluss.

Der Trugschluss, dem wir uns nicht hingeben dürfen, ist lediglich, dass wir uns darauf verlassen können, dass man uns von Abweichungen eifrig berichtet. Wir müssen aktiv und von Beginn an den Verlauf verfolgen oder jemanden mit der Fortschrittskontrolle betrauen. Wenn kurz nach einer Entscheidung unplanmäßige Ereignisse unserer Aufmerksamkeit entgehen, werden wir das gegen Ende unseres zeitlichen oder qualitativen Zieles nicht mehr kompensieren können, da der prozentuale Aufwand in Relation zur Restzeit immer größer wird, je später wir eine Abweichung entdecken.

Dieses Vorgehen, die Erkenntnis, dass es immer ein Restrisiko gibt und die perfekte Entscheidung nicht existiert, ermöglicht es uns, eine Entscheidung relativ schnell treffen zu können. Es ist uns von Beginn an bewusst, dass wir ohnehin kontrollieren und nachsteuern müssen – egal, wie wir uns entscheiden werden.

Und wenn wir unser Ziel trotzdem nicht erreichen?

Dann haben wir gekämpft und gelernt. Das ist allemal besser, als nicht zu entscheiden. Wir hatten eine gute Chance, haben alles getan und haben einen Erkenntnisgewinn, der später auf unsere eigene 50%-Seite der Erfahrungen einzahlt. Bei der nächsten Entscheidung sind wir noch besser und bekommen den Ball ins Tor. Aufstehen und weiterkämpfen!

Das ist nichts für Sie? Dann gehören Sie nicht in die erste Reihe, denn der Erfolg gehört den mutigen. Es ist eine Illusion, dass man sich ohne Risiko nach oben durchmogeln kann.

Die Welt teilt sich in Entscheidungsträger und Bedenkenträger. Zu welcher Seite gehören Sie?

Post Skriptum: Ich persönlich gehe noch heute so vor, wenn Entscheidungen sehr großer Tragweite zu treffen sind. Selbstverständlich ist mein Erfahrungsspektrum heute ausreichend groß, um sehr viele, gute und weise Entscheidungen im täglichen Arbeitsleben treffen zu können, ohne jedes Mal ein Meeting einzuberufen. Ich wollte einen Weg aufzeigen, wie man unter Zuhilfenahme von Kommunikation und Erfahrungswissen anderer relativ sicher die bestmögliche Entscheidung trifft. Um das Ergebnis-Tracking kommt man auch mit viel Erfahrung nicht herum.

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